Kommentar zum Gesamtbauentscheid der Baukommission Niederbipp im Baudossier 981-71/20
8 Mehrfamilienhäuser, 4 Einstellhallen am Hofackerweg in Niederbipp
Am 25. Oktober 2022 erreicht uns Einsprechende der Gesamtbauentscheid der Baukommission Niederbipp – 2 Einsprechenden wird die Einspracheberechtigung abgesprochen – 36 weiteren Einsprechenden wird in allen Punkten eine Absage erteilt.
Hier wird auszugsweise die Art uns Weise der Begründungen der Baubehörde unter die Lupe genommen in Form eines Ansichtendialogs, der zeigen soll, dass die Standpunkte der Baubehörde widerlegt werden können.
Als Beispiel dient hier der Aspekt «Mehrverkehr und Verkehrssicherheit» in 6 Argumentationspunkten:
1. Gemeinde:
(Zitate aus dem Gesamtbauentscheid)
- Geringe Mehrverkehrsbelastung im Quartier zu erwarten.
- Verkehrssicherheit wird gewährleistet.
- Über gemessene Verkehrszahlen wurde am 17.2.20 informiert.
«Laut Baugesetzgebung genügen bestehende Strassen wie z.B. Kirchgasse o.ä. für Neubauten, sofern darauf nicht mit erheblichem Mehrverkehr gerechnet werden muss.»
«Von erheblichem Mehrverkehr spricht man ab einer Zunahme von über 10% des Ausgangsverkehrs. Durch das geplante Bauvorhaben entsteht gegenüber dem heutigen Verkehr keine Zunahme von mehr als 10%.»
Einsprechende:
(Gegenargumente und Gegenfakten)
Ein einfaches Rechenbeispiel aus dem Quartier Oberfeld – Kirchgasse – Gässli – Hinteres Gässli – Brühlweg – Buchsern – Unt. Sängelenweg – Stockackerweg:
Grobe Anzahl Autos im Quartier (Stand Oktober 2022): 200 Autos
200 Autos = Ausgangsverkehr Oktober 2022 = 100%
132 Einstellhallenplätze in 4 Einstellhallen = 66 % Mehrverkehr
Bei diesen Mehrverkehrszahlen sind nicht eingerechnet:
Mehrfamilienhäuser an der Kirchgasse, im Oberfeld (5 EFH u 3 DEFH), Gässli, Buchsern und der Schleichverkehr.
Damit die Baubehörde auf die weniger als 10 % Mehrverkehr kommt, gibt es eine andere Berechnungsart, die zwar gesetzlich ist, aber keinesfalls der Realität entspricht.
2. Gemeinde:
«Ein früheres Bauprojekt wurde von der Gemeinde nicht abgelehnt, sondern lediglich sistiert.»
Einsprechende:
In der Abschreibungsverfügung vom 13.2.2019 schreibt die Bauverwaltung:
«Innerhalb der gesetzten Frist reichten die meisten Einsprechenden eine Stellungnahme ein. Die Ergebnisse zeigten auf, dass das gewählte Vorgehen nicht zielführend war.»
Die Bauherrschaft teilte den Rückzug des Baugesuches mit.
«Mit dem Rückzug des Baugesuches ist das rechtserhebliche Interesse an einem Bauentscheid weggefallen. Demnach kann das Baugesuch vom Geschäftsverzeichnis abgeschrieben werden.» (Zitat Verfügung Gemeinde)
Von einer Sistierung kann somit keine Rede sein, denn die Bauherrschaft hat das Projekt zurückgezogen und die Gemeinde hat das Geschäft abgeschrieben.
Die Verhältnisse haben sich in der Zwischenzeit nicht verändert, ja verkehrsmässig verschlechtert und trotzdem wird erneut eine Baubewilligung erteilt.
3. Gemeinde:
Es soll sich damals um eine ungenügende Erschliessung der Bauparzelle gehandelt haben und nicht um ein fehlendes Verkehrskonzept für das Quartier.
Einsprechende:
Zu einer Erschliessung und zur nötigen Infrastruktur eines Bauprojektes in dieser Grössenordnung gehört neben Strom, Wasser und Abwasser auch ein überzeugendes Verkehrskonzept.
4. Gemeinde:
Die Gemeinde habe in diesem Quartier bereits mehrere (Verkehrs-)Planungen am Laufen und wird Teile davon in den nächsten Monaten und Jahren umsetzen.
Einsprechende:
Es wird immer wieder von Planung und Umsetzung gesprochen, aber gesehen hat man bis heute noch nichts. Wir hätten gerne die Umsetzungsunterlagen gesehen. Die Tempo 30 Zonen beruhigen zwar den Verkehr, aber sie reduzieren den Mehrverkehr nicht um ein Auto.
5. Gemeinde:
Bei den Verkehrsmassnahmen gebe es Befürworter und Gegner. Einige Vorschläge seine von der Bevölkerung verworfen worden und somit nicht umsetzbar.
Einsprechende:
Wenn keine allseits akzeptablen Lösungen gefunden werden können, müssen die Bauprojekte zurückgestellt werden, weil der Anteil Verkehr bei der Infrastruktur ungenügend ist.
6. Gemeinde:
«Ein Bauherr kann nicht für die Lösung der Verkehrsprobleme eines ganzen Quartiers herangezogen werden.»
Einsprechende:
Aber die Quartierbewohner*innen sollen für die vom Bauherrn verlangten Platzverhältnisse herangezogen werden. Sie sollen Land abgeben und Einschränkungen auf sich nehmen, damit der Investor sich im Quartier ausbreiten kann.
Im Weiteren wird 2 Einsprechenden die Berechtigung zur Einsprache abgesprochen, weil sie nicht im Quartier wohnen. Hier die Begründung und das Gegenargument der Einsprechenden:
Gemeinde:
Die Einsprecherpartei «gibt offen zu, dass sie nicht mehr als jedermann betroffen ist z.B. mit der Aussage «Das Einhalten von Vorschriften ist im Interesse jeden Bürgers».
Einsprechende:
Ein Beweis mehr, dass Aussagen von Einsprechenden so uminterpretiert werden, dass sie ins Konzept der Baubehörde passen.
Man könnte auch die Schlussfolgerung ziehen, dass eine negative Veränderung, die jeden Bürger betrifft, auch jeden Bürger zum Einsprechen berechtigt. Aber hier gilt offenbar der Grundsatz: Alle triffts, aber niemand (ausser den Nachbarn) darf einsprechen.